Im Sommer 2018 machte ein japanisches Mode-Unternehmen namens “zozo” mit einer spannenden Idee Furore: Wie wäre es, wenn maßgeschneiderte Mode einfach und günstig für alle erhältlich wäre? Den Schlüssel behauptete die Firma mit einer computergesteuerten Vermessungs-Methode gefunden zu haben, die sich ganz einfach mit einer Smartphone-App und einem speziell präparierten Kleidungsstück (“zozosuit”) anwenden lässt. Das Versprechen: Die Preise für die Kleidung sind nicht höher als im herkömmlichen Einzelhandel. Und die Klamotten passen wie angegossen.
Nun finde ich normalerweise leicht Kleidung, die mir passt. Trotzdem ist es aber gerade bei Online-Bestellungen immer etwas aufwändig, weil jeder Hersteller unter den üblichen Größen dann doch ein bisschen was anderes versteht. Also muss ich vieles nach der Anprobe leider wieder zurückschicken. Könnte ich mich also darauf verlassen, dass die Klamotten einfach gut passen – das wäre schon schön.
Die Medien stürzten sich mit Begeisterung auf das Konzept. Der “Vermessungs-Anzug”, den man gegen etwa drei Euro Versandkosten erhält, sieht lustig-putzig aus, die Vermessungs-App ist für den Anwender gut und verständlich gemacht, die Idee klingt pfiffig. Was fehlte, sind Erfahrungsberichte. Also hab ich das einfach mal selbst ausprobiert.
Die erste Ernüchterung trat nach der Bestellung ein. Das Messen per App war einfach und schnell erledigt, den Stretch-Anzug mit Messpunkten hatte ich zügig erhalten. Die App rechnete aus, dass meine Maße nicht am Lager waren und prognostizierte “4-5 Wochen” als Lieferzeit. Tatsächlich dauerte es von der Bestellung bis zur Auslieferung dann aber zehn Wochen – also mehr als doppelt so lange. Nach etwa sechs Wochen hatte ich zwar schon eine Tracking-ID für das Paket erhalten, aber die verschwand nach weiteren zwei Wochen wieder aus dem System. Die (stark überlastete) Hotline des Herstellers versuchte mich zu beruhigen, dass das an einem logischen Problem beim Versand liege, denn die Tracking-ID entstehe in dem Moment, in dem das Paket in China auf den Weg geht, und von da dauert es dann eben per Schiffscontainer noch ein paar Wochen. Das wolle man aber bald ändern. Da die Firma Zozo mein Geld per Kreditkarte aber schon hatte, beruhigte mich das nur eingeschränkt.
Als ich gerade drauf und dran war, über die Kreditkarte eine Rückbuchung einzuleiten, kam das Paket dann doch. Sehr erfreut öffnete ich es und probierte die Sachen an … das heißt, ich hab’s versucht. In das Hemd kam ich nämlich kaum rein, und die Hose … tja, also … seht selbst:
Oben passte ich mit zwei Winterjacken rein, unten nur mit Mühe. Dafür befand sich “unten” auf Wadenhöhe.
Zwei Kleidungsstücke bestellt, die angeblich perfekt zu meinen (wenig exotischen) Maßen passen würden. Zwei Kleidungsstücke erhalten, die auf groteske Weise nicht passten.
Es gibt Aufgaben, die ein Computer wohl einfach nicht beherrscht.